Reaktiver Ball
Ein reaktiver Ball (oder auch kurz Reaktivball) ist ein Ball, der aufgrund seiner Konstruktion mit der Oberfläche der Lauffläche reagiert und dadurch - eine entsprechende Wurftechnik vorausgesetzt - eine Bewegung im Bogen ausführen kann (Hakenwurf).
Bestandteile
Reaktivbälle sind von ihrer Konstruktion weitaus komplexer als Polyesterbälle. Sie unterscheiden sich im wesentlichen in den folgenden drei Punkten:
- Kern,
- Füllung und
- Oberfläche.
Kern
Im Gegensatz zu Polyesterbällen, die gleichförmig mit einem Plastikmaterial gefüllt sind, besitzen Reaktivbälle einen Kern. Dieser ist je nach Hersteller und Ballart unterschiedlich geformt. Um die Wirkung des Hakenwurfes zu verstärken, ist der Kern in aller Regel nicht kugelförmig, sondern weist symmetrische oder asymmetrische Ausbuchtungen oder Einkerbungen auf. Je nach Form ist der Schwerpunkt des Balles an einer anderen Stelle zu finden, was Auswirkungen auf die optimale Position der Bohrungen hat.
Füllung
Da der Kern eine höhere Dichte aufweist, der Ball insgesamt aber ein bestimmtes Zielgewicht haben soll, wird je nach gewünschtem Ballgewicht unterschiedliche Füllmaterialien verwendet. Da allerdings der Kern seine Lage nicht verändern darf, ist auch die Füllung eine feste Masse.
Die Füllung spielt bei den Laufeigenschaften des Balles eine untergeordnete Rolle und dient deshalb im Wesentlichen nur der Anpassung an das gewünschte Zielgewicht.
Oberfläche
Reaktivbälle weisen eine angeraute Oberfläche auf. Diese dient dazu, um Seitenführungskräfte auf der Bahn (als Grip bezeichnet) aufbauen zu können. Erst dadurch wird überhaupt eine Kurvenbewegung möglich. Die Oberflächen von Reaktivbällen können durch Schleifmaterial nachträglich (weiter) aufgeraut werden.
Desto mehr Öl auf einer Bahn aufgetragen wurde, desto rauer beziehungsweise aggressiver muß die Oberfläche des Balles sein, um die gleiche Kurvenbewegung ausführen zu können. Es ist allerdings zu beachten, daß Aufrauen durch Schleifen und Oberflächenaggressivität nicht identisch sind: Die Aggressivität eines Balles ist konstruktionsbedingt und kann vom Spieler im wesentlichen nicht beeinflußt werden. Aufgeraute Oberflächen nehmen immer mehr Öl mit als wenig aufgeraute Flächen und tragen deshalb verstärkt zum Carry Down des Ölbildes bei. Bei Bällen mit Oberflächen, die eine höhere Aggressivität aufweisen, ist dies hingegen nicht notwendigerweise der Fall.
Maßzahlen
Um die Eigenschaften von reaktiven Bällen miteinander besser vergleichen zu können, gibt es eine Reihe von Maßzahlen:
- die RG-Zahl, Radius of Gyration
- die Diff-Zahl, Differential of Radius of Gyration
Radius of Gyration
Der Radius of Gyration (RG) - zu deutsch "Streumassenradius" - ist eine Maßzahl dafür, wie stark die Unwucht des Balles durch seinen Kern ist. Die Maßzahl ist nach unten durch den Wert 2,46 und nach oben hin mit dem Wert 2,8 beschränkt. Bälle mit 2,46 sind "cover-lastig", das heißt die Unwucht ist groß und liegt nahe an der Oberfläche. Ein Ball mit 2,8 ist "zentrums-lastig", das heißt es liegt nur eine sehr geringe Unwucht vor[1].
Bälle mit einer größeren Unwucht (nahe bei RG = 2,46) laufen in der Regel erst nach einer größeren Wegstrecke an, das heißt, es dauert länger, bis sie den Bogen beginnen. Aus diesem Grund sind sie besser für ölige Bahnen mit langen Ölbildern geeignet, da sie länger durch das Öl laufen können. Wird ein Ball mit großer Unwucht auf einer trockenen, kurz geölten Bahn verwendet, so entsteht die Herausforderung, daß der Ball schnell überlaufen kann, das heißt, daß der Bogen zu groß wird.
Bälle mit einer geringen Unwucht (nahe bei RG = 2,8) laufen in der Regel früher an, das heißt, die Wegstrecke, bis sie anfangen den Bogen zu laufen, ist kürzer. Aus diesem Grund sind sie besser für trockene oder leicht-ölige Bahnen geeignet, die ein kurzes Ölbild haben. Wird ein Ball mit geringer Unwucht auf einer öligen Bahn verwendet, ist der Bogen nicht ausgeprägt genug und der Spieler muss die Tasche sehr direkt anspielen.
Einige Ballhersteller verwenden für den Radius of Gyration auch eine Skala zwischen 1 und 10. Der Wert 1 entspricht dann dem Nominalwert von 2,46, während der Wert 10 für 2,8 steht.
Der Vorgang der Bestimmung des Radius of Gyration ist über die Herstellern hinweg nicht normiert. Dementsprechend kann es problematisch sein, zwei Bälle zweier unterschiedlicher Hersteller über die Angabe des Wertes vergleichen zu wollen. Bälle innerhalb eines Herstellers werden aber in der Regel der gleichen Messmethodik unterzogen, so daß Vergleichbarkeit gegeben ist.
RG-Wert (nominal) | RG-Wert (10er Skala) | Unwucht | Bezeichnung | geeignet für Bahntyp |
---|---|---|---|---|
2,46 | 1 | groß | "cover-lastig" | ölig / lange Ölbilder |
2,8 | 10 | klein | "zentrums-lastig" | leicht ölig / kurze Ölbilder |
Differential of Radius of Gyration
Der Wert Differential of Radius of Gyration, oder auch oftmals nur Diff. abgekürzt, eines Balles gibt an, wie viel Potenzial in einem Ball steckt, um auf dem Backend eine Bewegung nach innen zu ermöglichen. Die effektive Stärke des Hakens, die der Ball nach dem Umkehrpunkt (Breakpoint) vollführt, ist darüber hinaus aber wesentlich von der Bohrung abhängig. Der Wert Differential of Radius of Gyration gibt demnach nur eine Obergrenze an, wie viel Rücklaufbewegung beim Hakenwurf von einem Ball erwarten kann [2]. Durch entsprechendes Bohren kann der Diff-Wert ebenfalls zur Anpassung der Position genutzt werden, wie spät ein Ball die Bewegung nach innen beginnt (siehe auch Abschnitt über "Radius of Gyration" zuvor).
Bälle mit einem niedrigen Differential of Radius of Gyration vollführen (bei gleicher Bohrung) demnach eine weniger starke und ruckartige Bewegung nach innen (man sagt auch "der Ball läuft schwächer an") an, als Bälle mit einem hohen Wert (sprich: "der Ball läuft stärker an"). Es gilt als Vorteilhaft einen Ball mit weniger Differential of Radius of Gyration zu verwenden, wenn das Backend (beispielsweise aufgrund von Carry Down) ölig ist. Ist das Backend hingegen trocken, ist ein höherer Diff.-Wert erstrebenswert: Die erhöhte Gegenbewegung nach innen erlaubt es auf trockenen Bahnen, die Tasche in einem flacheren Winkel zu treffen, was in der Regel Strikes begünstigt.
Bälle mit einem niedrigen Diff-Wert werden auch als "stabiler" betrachtet, das heißt ihr Verhalten bei öl-fleckigen Bahnverhältnissen im Backend ist leichter zu kontrollieren, da sie wenigster stark auf Bahnverhältnisse reagieren. Umgekehrt gelten Bälle mit einem hohen Diff-Wert als "instabiler" und sind damit schwerer zu kontrollieren[3].
Bälle mit niedrigen Diff-Wert liegen zwischen 0,01 und 0,02. Mittlere Werte sind zumeist zwischen 0,03 und 0,04. Alles darüber entsprechend hohen Differential of Radius of Gyration-Werten. Gemäß ABC/WIBC gilt ein gültiges Maximum für den Diff-Wert bei 0,08[4].
Differential of Radius of Gyration | Kategorie | typisches Einsatzgebiet | Vorteil | Nachteil |
---|---|---|---|---|
0,01 - 0,02 | niedrig | Bahnen mit viel Öl im Backend | hohe Stabilität |
|
0,03 - 0,04 | mittel | Bahnen mit wenig Öl im Backend | ||
0,04 - 0,08 | hoch | Bahnen mit wenig Öl im Backend / frische Bahnen |
|
geringe Stabilität |
Ballübersicht
Für eine Übersicht bekannter Maßzahlen von reaktiven Bällen sei auf den Artikel Ballübersicht verwiesen.
Dead Ball Syndrom
Reaktivbälle können - trotz korrekter Pflege, passender Spielweise und entsprechender Ölung - mit der Zeit die Fähigkeit einbüßen, eine Hakenbewegung auszuführen. Diese Tatsache ist unter dem Begriff "Dead Ball Syndrom" (zu deutsch: "Syndrom eines toten Balles") bekannt.
Das Dead Ball Syndrom ist Thema einer sehr kontrovers geführten Diskussion. Während einige Vertreter die Existenz eines solchen Effektes grundsätzlich wissenschaftlich verneinen, behaupten andere bereits die Ursachen dafür zu kennen. Letztere bieten dafür auch Lösungsvorschläge in Form diverser Produkten an, deren Wirksamkeit nicht minder kontrovers diskutiert werden.
Quellen
- ↑ übersetzt aus einem About.com-Artikel zu Radius of Gyration
- ↑ übersetzt aus dem Bowlingball.com-Artikel über Differential of RG
- ↑ siehe Storm Bowling Glossary Abschnitt Differential
- ↑ siehe auch SDB300 Glossar